Lehrveranstaltung TU-Berlin Wintersemester 2006/2007
TU-Berlin,
Fachbereich Musikwissenschaft
Im Zuge der Bologna-Reform wird es neue Studiengänge
geben, die musik- und medienwissenschaftliche Arbeits- und Forschungsschwerpunkte
verbinden. Ist diese Ausrichtung durch innere Beziehungen zwischen den
Fächern begründet? In diesem Semester reflektieren wir die
aktuelle Perspektive und Entwicklung und gehen folgenden Fragen nach:
Was meint Medienästhetik? Welche neuen Aspekte bringen die Medienwissenschaften
in die Arbeit der angestammten Disziplinen der Musik-, Kunst- und Literaturwissenschaft
hinein? Wie wird im medienästhetischen Diskurs mit Klang und Musik
umgegangen? Wie wünschen wir uns eine medienwissenschaftliche Reflexion
der Musik? Wie erklärt sich die Nähe medienästhetischer
Perspektiven zur poststrukturalistischen Philosophie der Dekonstruktion?
Welche Konzepte von Intermedialität eignen sich für eine musiktaugliche
Medienästhetik?
In engem Zusammenschluss zwischen Vorlesung und Seminar wird kritische
Stellungnahme, Theoriebildung und medienästhetische Analyse überwiegend
aktueller Werke geübt. Da wir uns in einen interdisziplinären
Diskurs einklinken, der so viele Facetten kennt, wie Wissenschaftler
beteiligt sind, laden wir eine Reihe Wissenschaftler ein, die medienästhetische
Theorie oder Analysepraxis betreiben. Vorlesung und anschließendes
Seminar werden also im Doppelpack angeboten und sollten in Kombination
belegt werden! Die Teilnehmer sind überdies aufgefordert, aktuelle
Konzerte in Berlin wahrzunehmen, auf die in den Veranstaltungen eingegangen
wird. Es wird einen Reader zu dem Veranstaltungsangebot geben. Die Seminararbeit
erstreckt sich auf Werkanalyse, Betreuung und Moderation der Gäste,
die zur Vorlesung und/oder zum Seminar kommen werden, Arbeit an der
Homepage, die uns und unseren Gästen ermöglichen soll, die
Perspektivenvielfalt, die sich zwangsläufig ergeben wird, im Blick
zu behalten und den Diskussionen immer wieder zugrunde zu legen. Eine
Liste der besprochenen Werke, der Konzerte und der Gäste wird vorab
bekannt gegeben.
^ Top
Vorlesung "Musikwissenschaft goes Medienästhetik"
Prof. Dr. Elena Ungeheuer
Dienstags 10-12h
Wenn im Seminar von Dr. Christa Brüstle die Beziehungen zwischen
Medienkunst und Musik durch konkrete Werkanalysen beleuchtet werden,
lotet die Vorlesung das Verhältnis zwischen Medienwissenschaft
und Musikwissenschaft aus. Wie gehen medienwissenschaftlichen Autoren
auf Kunst ein, wie explizit auf Musik? Welche Musikwissenschaftler beteiligen
sich am medienwissenschaftlichen Diskurs oder könnten sich aufgrund
ihrer Argumentation daran beteiligen? Es zeigt sich, dass die bisher
unternommenen Versuche, die mediale Vermittlung von Musik durch Radio,
Fernsehen, CD oder schlicht per Lautsprecher zu systematisieren, noch
keine Antwort geben auf die Frage: Ist Klang selbst ein Medium? Diese
Frage muss aber gestellt werden, will man den weit entwickelten bildtheoretischen
und texttheoretischen Betrachtungen, die bislang unter der Überschrift
"Medienwissenschaft" zu finden sind und unter anderem interessante
Konzepte von Inter- und Inframedialität entwickelt haben, neue
und musikspezifische Perspektiven zur Seite stellen. Dabei kristallisiert
sich eine pragmatische Medienästhetik heraus, in der es nicht nur
um Strukturbeschreibungen, sondern um das Umgehen mit Musik und die
mediale Nutzung musikalischer oder musikbezogener Materialien und Strukturen
geht.
^ Top
Seminar "Intermedialität heute" / "Intermediale
Praktiken - Medienkunst und Musik"
Dr. Christa Brüstle
Dienstags 12-14h, Beginn 24.10.2006
Die in der Vorlesung präsentierten medientheoretischen und medienästhetischen
Positionen werden im Seminar zur Diskussion gestellt und anhand ausgewählter
Werke in Analysen auf ihre Adäquatheit und Anwendbarkeit überprüft.
Dabei erfolgt eine Konzentration auf intermediale künstlerische
Konzepte und ihre Umsetzung in Live-Elektronik, Musiktheaterprojekten,
Videokunst, Film, interaktiver Klangkunst sowie elektronischer Musik.
Hatte Dick Higgins 1966 für eine konzeptionelle Fusion von Kunstformen
den Begriff "Intermedia" geprägt, so nannte er damals
"intermedial" vor allem Kunstprojekte, die "zwischen"
den traditionell abgezirkelten Kunstsparten lagen. Als Beispiel dienten
ihm Collagen sowie Environments oder Happenings. "Intermedia"
ist seitdem eine häufig benutzte Bezeichnung für künstlerische
Fusionen, auch wenn in den meisten Fällen nicht erklärt wird,
was wie zu welchem Ergebnis verschmilzt. Mit dem Aufkommen von elektronischen
und daten- beziehungsweise informationsverarbeitenden, technischen Medien
hat sich die Virulenz des Begriffs "Intermedia" nochmals potenziert,
und inzwischen lässt er sich durch Infra- oder "Intramedia"
sowie "Intermaterialität" erweitern und differenzieren.
Im Zentrum des Seminars steht daher die Frage, ob und wie ein pragmatischer
und performativer medienästhetischer Forschungsansatz für
die Analyse von intermedialen Praktiken in Komposition und Klangkunst
zur Klärung dieser Mechanismen beitragen kann. Dabei werden einerseits
Aufführungskonzepte und ihre Realisierung in den Blick genommen,
andererseits auch die Konsequenzen eines solches Ansatzes für das
traditionelle musikwissenschaftliche Verständnis von "musikalischer
Analyse".